haruki murakami und ich

Friday, April 07, 2006

Itchy feet

Im Hinterhof liegt Schnee. Ich frage mich ob dies an einem 7. April zu rechtfertigen ist?
Doch seit ich begriffen habe, dass die Wahrscheinlichkeit Petrus einmal des nachts in einer stillen Seitenstraße anzutreffen und somit eventuell Einfluss auf das Wetter nehmen zu können relativ gering ist, habe ich meine eigene Strategie gegen schlechtes Wetter:

Ich habe itchy feet: Itchy feet soll nicht etwa heißen, dass ich mir im Schwimmbad einen unangenehmen Pilz zugezogen habe. Nein, Itchy feet bedeutet soviel wie Fernweh. Und was hilft dagegen besser als reisen? Doch da Reisen dorthin, wo man an einem 7. April ein zu rechtfertigendes Wetter antrifft, selten zu realisieren sind, mache ich es wie die Mönche früher: Ich reise in Gedanken.

Mein Flugticket hierfür sind Reiseführer - oder Vorzugsweise „Merian Hefte“. Diese sind nämlich keine klassischen Reiseführer, sondern vermitteln anhand vieler bunter Bilder und Anekdoten von Dortgewesenen einen Eindruck des Zielgebietes. Die Karten in „Merian Heften“ sind für eine tatsächliche Reise sowieso nicht zu gebrauchen, da die vorgeschlagen Touristen-Touren immer so dick eingezeichnet sind, dass man den Straßenverlauf gar nicht mehr erkennen kann.

So habe ich schon einige schöne Reisen unternommen. In Kuba war ich schon zwei mal. In Rom kann ich Giancarlos kleine Trattoria, nähe der Tiberinsel im ehemaligen jüdischen Ghetto nur empfehlen.

Und was böte sich für meine heutige Reise -da die gestrige Suche nach Japan in meinem Leben von eher mäßigem Erfolg gekrönt war- mehr an als Japan? Da ich ja weiß, dass das Semester bald beginnt und ich noch immer keinen Haruki Murakami gelesen habe, kann ich das geschickt verbinden und mir auch gleich einen „Kafka am Strand“ oder irgend ein anderes Buch von ihm zulegen. Ich laufe zum Buchhandel.

Dort angekommen winkt es mir schon aus der Entfernung zu: Auf einem Verkaufstisch vor dem Laden liegt das Buch „Gefährliche Geliebte“ aus. Sieht aus wie ein rosafarbenes Knallbonbon und ist zum Sonderpreis von 10 €uro in der Brigitte-Edition, ausgewählt von Elke Heidenreich, zu erwerben.


Die Brigitte-Edition - ausgewählt von Elke Heidenreich? Ist das so etwas wie die literarische Stiftung Warentest für EMMA-Abonentinnen? Nero Corleone brachte mich wirklich zum schmunzeln, und durch die schnoddrige Metzgergattin Else Stratmann wurde mir auch Wanne-Eickel ein Begriff, aber sonst? Sind in Elke Heidenreichs Büchern nicht meist Frauen um die 50, welche 68-Idealen hinterher hängen und deren erotische Beziehungen im Detail beschrieben werden die Protagonistinnen? Ich muss dabei an meine Eltern denken – und verdränge diesen Gedanken wieder. Hin zu Haruki Murakami.

Doch ich bin skeptisch, ob ich auf das Urteil dieser Frau vertrauen kann? In einem beiliegenden Faltblatt lobt sie das Buch sehr. Nennt Murakami einen „Kultautor“ und „Gefährliche Geliebte“, den für sie „schönsten Roman“ Murakamis. Sie schreibt auch, dass das Buch kein “happy end“ habe. Ich frage mich, ob man den Ausgang eines Romans vorneweg verraten darf? Mir persönlich macht das nichts: Aus der Besorgnis heraus, sterben zu können ohne zu wissen, wie ein Buch endet, lese ich prinzipiell immer zu erst die letzte Seite eines Romans.

Elke Heidenreich scheint es egal zu sein, ob die Brigitte-Leserinnen das genauso sehen; außerdem rezensierte sie nicht „Murakami gehört zu den ganz großen Literaten unsere Zeit“. Das macht sie mir sympathisch.

Ich kaufe das Buch. „Merian Japan“ ist leider nicht verfügbar.

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