haruki murakami und ich

Sunday, May 28, 2006

osowaru

Ich weiß nicht, ob ich Antworten auf Fragen liefern kann? Ich werde es versuchen:

Mit dem Begriff „undeutsch“ diffamierte die NS-Propaganda ihre politischen Gegner. Kunstwerke und Bücher „undeutscher“ Kulturschaffender wurden ab 1933 öffentlich verbrannt. Die NS-Regierung setzte damit einen ideologischen Grundstein, was „deutsch“ ist und was sich für die „Herrenrasse“ des multi-ethnischen deutschen Volkes gehöre.

Vielleicht ist es „deutsch“, vorsichtig mit Begriffen wie „undeutsch“ umzugehen, den Begriff „unjapanisch“ gar nicht erst zu gebrauchen, da er eine dementsprechende, NS-orientierte Assoziation forciert. Wie es eben auch „deutsch“ ist, nicht stolz auf Deutschland zu sein, oder den Text von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ nicht zu kennen. Vielleicht ist es mehr als ein Fauxpas, ein Wort wie „unjapanisch“ zu gebrauchen.

„Allzu oft in der Auseinandersetzung Europas mit fernöstlicher Fremde diente Japan als Objekt in einem kontemplativen Erkenntnisvorgang, wurde es zum Anlaß zu europäischem „Verstehen“, „Erfühlen“, „Deuten“, wobei Europa sich selber als Maßstab des Erkennens und Wertens einsetzte und Japan, zum Vergleichsgegenstand degradiert, nur ein mehr oder Weniger sein konnte als Europa.“
[Dietrich Krusche. Japan - Konkrete Fremde. Eine Kritik der Modalitäten europäischer Erfahrung von Fremde. S. 153. München 1972.] Doch wie soll man sich mit der „fernöstliche[n] Fremde“ anders auseinadersetzen als aus der persönlichen Erfahrung heraus? Eine Wertung dieser, sei es im Sinne „deutscher“ Überlegenheit, möchte ich der Erfahrung allerdings absprechen.

In Jürgen Habermas Schrift „Erkenntnis und Interesse“ schreibt dieser, „Eine Interpretation kann die Sache nur in dem Verhältnis durchdringen, in dem der Interpret diese Sache und zugleich sich selbst als Momente des beide gleichermaßen umfassenden und ermöglichenden objektiven Zusammenhangs reflektiert.
[Jürgen Habermas. Erkenntnis und Interesse. S. 227. Frankfurt 1968] Ich kann mich Japan also nur nähern, indem ich nicht nur das „Fremde“, sondern gleichermaßen auch meine eigenen Voraussetzungen der Erfahrung und des Verstehens analysiere.

Wie soll ich bestimmen, was „japanisch“ ist, wenn ich auch nicht weiß, was „deutsch“ ist? Sofern meine eigenen Voraussetzungen der Erfahrung und des Verstehens denn „deutsch“ sind. Es gibt ja gewiss keine „stabile Identität“, eine nationale Identität und „Zellen in einem Volkskörper“ schon gar nicht. Identität ist vermutlich eine Wesenseinheit einer einzigen Person, die nicht auf eine Gruppe übertragbar sein kann.

Als ich in Indien lebte, fiel es mir leichter zu sagen, was „deutsch“ ist. Da war "deutsch" irgendwie alles, was eben nicht „indisch“ oder nicht „fremd“ war. Für die indische Landbevölkerung war ich „fremd“, beziehungsweise „deutsch“: In meiner Art, den Reis mit den Fingern zu zerpflücken. In der Art, wie ich meinen Saree wickelte. In der Art, wie ich lange schwarze Haare zu einem Zopf flocht. In der Art, wie ich Tamil sprach. - Und war ich noch so sehr um Anpassung, um Vermeidung von Deutschtümelei bemüht, mein „Deutsch“-sein war für die Landbevölkerung untrennbar von der Rolle des wissenden, weißen „Herr und Meisters“ geprägt. Aber wie vermittelt man, dass man nicht der „Baas“ sein möchte? Dass man in keinem Falle kolonialistisch-imperialistische, oder nationalsozialistische, europäische, deutsche oder wie auch immer geartete Überlegenheit immanieren möchte?

„Das Fremde wird nicht stehengelassen in seiner Besonderheit, die Auseinandersetzung damit geschieht nicht partnerschaftlich-dialogisch, sondern alle Andersheit wird auf dem kürzestmöglichen Wege als Eben-doch-Eigens vereinnahmt.“
[Dietrich Krusche. Japan - Konkrete Fremde. Eine Kritik der Modalitäten europäischer Erfahrung von Fremde. S. 11. München 1972.] Weil der Mensch eben nicht zu trennen ist von seinem Kognitionshintergrund, von seiner persönlichen kulturellen Prägung, von Antizipationen die er besitzt, von Klischees über die Fremde, von persönlicher Identität. Ich habe Murakami als „unjapanisch“ tituliert, weil er meinen Antizipationen über das, was bislang Japan für mich ist, nicht entsprach. Ich war frustriert, dass ich in Japan kein „Eben-doch-Eigens“ sehen konnte. Dass mir trotz intensiver Beschäftigung ein erhoffter Zugang zu „fernöstlicher Fremde“ verwehrt blieb.

Ich danke wirklich sehr für den Kommentar, der mich zum Nachdenken anregte.

0 Comments:

Post a Comment

<< Home